Run-offs bei Bestandsverträgen zur Altersvorsorge – SCR-Quoten im Vergleich

Grundlagen und Hintergrund

Die SCR-Quote setzt die aufsichtsrechtlich anrechnungsfähigen Eigenmittel ins Verhältnis zu den Solvenzkapitalanforderungen. Die Solvenzkapitalanforderungen sind aufsichtsrechtlich definiert und nach gegebenen Formeln zu berechnen, um den Verpflichtungen gegenüber den Kunden nachzukommen. Bei einer exakten Deckung der Anforderungen, d. h. bei einer Quote von 100 %, könnte das Versicherungsunternehmen nach dem in Solvency II zugrunde liegenden Modell die Verluste aus allen möglichen eintretenden Risiken innerhalb eines Jahres mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,5 % abdecken. In der Theorie würde das Versicherungsunternehmen somit im Durchschnitt „nur“ alle 200 Jahre in Insolvenz geraten. Erstrebenswert ist allerdings eine Quote, die eine gewisse Höhe über den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen und somit über 100 % liegt. Aus wertorientierten Überlegungen ist eine allzu hohe SCR-Quote jedoch ebenfalls kritisch zu hinterfragen, da in einem solchen Fall der Bestand an Eigenmitteln gegenüber dem übernommenen Risiko als überdimensioniert gilt. Nur unter Inkaufnahme von Risiko ist typischerweise eine Kapitalrendite oberhalb des „risikofreien Zinses“ zu verdienen. „Überschusskapital“ über ein bestimmtes Maß hinaus ist von daher ineffizient, weil es kein renditeträchtiges Risiko unterlegt und insofern „ungenutzt“ bleibt. Es könnte alternativ dazu verwendet werden, weitere Risiken zu übernehmen, um zusätzliche Erträge für die Versicherungsnehmer und/oder die Träger des Versicherungsunternehmen zu erwirtschaften – oder alternativ an Letztere ausgeschüttet zu werden.

Unter Solvency II gelten für die Versicherungsunternehmen strengere Regeln zur
Eigenmittelunterlegung als unter Solvency I. Versicherungsunternehmen können aber – um den Umstieg von Solvency I auf Solvency II schonend zu vollziehen – bis zum Jahr 2023 Übergangsmaßnahmen anwenden. Diese Übergangsmaßnahmen ermöglichen den Versicherern einen schrittweisen Wechsel zur vollen Solvency II-Bewertungslogik.

SCR-Quoten im Vergleich

Der Vergleich der SCR-Quote zwischen den Run-off- und den Nicht-Run-off-Versicherern zeigt deutliche Unterschiede. Die durchschnittliche SCR-Quote der Run-off-Versicherer beträgt ohne Übergangsmaßnahmen für den Zeitraum von 2016 bis 2018 nur 141,3 % und liegt damit relativ nah an der kritischen 100 %-Marke. Bei den restlichen Versicherern besteht mit 292,8 % deutlich mehr Spielraum.
Beim Blick auf die einzelnen Run-off-Versicherer fällt auf, dass einige ohne Übergangsmaßnahmen eine SCR-Quote von z. T. sogar deutlich unter 100 % aufweisen. Bis zum Auslaufen der Übergangsmaßnahmen ist jedoch noch Zeit, weshalb den Quoten ohne Übergangsmaßnahmen nicht zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
Die SCR-Quoten mit Übergangsmaßnahmen fallen erwartungsgemäß sowohl für den Run-off-Markt als auch für den Gesamtmarkt deutlich höher aus: Mit Anwendung von Übergangsmaßnahmen beträgt die Quote im Run-off-Markt über den Zeitraum von 2016 bis 2018 durchschnittlich 290,8 %. Im restlichen Markt liegt die Durchschnittsquote bei 458,8 %. . Der Wert der Run-off-Versicherer ist zwar deutlich über der 100 %-Marke, unterscheidet sich aber dennoch stark von der Quote der anderen Versicherer, was auf einen deutlich geringeren Sicherheitspuffer schließen lässt. Auf der einen Seite binden die Run-off-Versicherer damit weniger Risikokapital, auf der anderen Seite haben sie so unter wertorientierten Überlegungen ceteris paribus einen höheren Erwartungswert für die Kapitalrenditen, da weniger Risikokapital ungenutzt bleibt. Von dieser erhöhten Rendite können sowohl die Versicherungsnehmer, die an den Erträgen partizipieren, als auch die Träger der Run-off-Unternehmen profitieren, allerdings unter einem vergleichsweise höheren Unternehmensrisiko. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sowohl die Nicht-Run-off- als auch die Run-off-Versicherer gegenüber den aufsichtsrechtlichen Sicherheitsanforderungen unter Anwendung der Übergangsmaßnahme insgesamt gut aufgestellt sind und potenzielle Ergebnisschwankungen sowie Verlustsituationen über die nächsten Jahre mit sehr hohen Wahrscheinlichkeiten auffangen können.