Jeder fünfte Versicherer erwartet im Zuge der Corona-Krise einen Personalabbau in der Branche und höhere Prämien

  • 84 Prozent der Versicherer gehen von einer Reduktion des Neugeschäftes durch die Corona-Krise aus
  • 96 Prozent der Versicherer erwarten negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Kapitalanlagen und der zu erzielenden Ergebnisse
  • 93 Prozent der Versicherer sehen aber auch Chancen – insbesondere bei der Digitalisierung der Wertschöpfungskette
  • Versicherer erwarten eine deutliche Erhöhung der Schadenquoten in selektiven Sparten, wie der Betriebsschließungssversicherung
  • Sorge vor Imageverlust: Pandemierisiken nur bei 17 Prozent uneingeschränkt abgedeckt
  • 38 Prozent der Versicherer erwarten eine beschleunigte Konsolidierung des Marktes

96 Prozent der Versicherer erwarten vor allem negative Auswirkungen auf Ihr Kapitalanlageergebnis – 14 Prozent gehen sogar von einer stark negativen Entwicklung, besonders im Bereich der Aktien, aus. 45 Prozent wollen daher ihre Anlagestrategie anpassen und unter anderem den Anteil an Aktien- und Immobilieninvestments reduzieren.

Insgesamt sehen alle befragten Versicherungsunternehmen Herausforderungen, die aus der aktuellen Situation für die Branche entstehen. Auf 87 Prozent trifft dies nach eigener Einschätzung voll, auf 13 Prozent eher zu.

Dies werden auch die Beschäftigten und die Versicherten zu spüren bekommen: Ein Fünftel (21 Prozent) der Unternehmen erwartet, dass die Branche wegen der Corona-Krise in den kommenden zwei Jahren Personal abbauen wird. Ebenfalls 21 Prozent gehen davon aus, dass sich die Prämien für die Versicherten erhöhen werden.

Allerdings können fast alle Versicherer den Veränderungen durch die Krise auch etwas Positives abgewinnen: 93 Prozent sehen grundsätzlich auch Chancen für die Branche. Von denjenigen, die Chancen erkennen, erwarten wiederum jeweils 93 Prozent einen Digitalisierungsschub beziehungsweise eine Flexibilisierung der Arbeitsmodelle. 70 Prozent erwarten, dass der Vertrieb modernisiert wird. Zudem verstärkt die Corona-Krise die ohnehin deutliche Tendenz zur abnehmenden Zahl an Versicherungsvermittlern (Versicherungsmakler, Ausschließlichkeitsorganisation).

Für die Studie haben EY und die V.E.R.S. Leipzig GmbH Anfang April 30 Vorstände beziehungsweise leitende Repräsentanten von Versicherungsunternehmen in Deutschland befragt.

Thomas Korte, Leiter des Versicherungsbereiches bei EY in Deutschland: „Die Corona-Krise hat Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette der Versicherungsbranche. Nur Unternehmen, die neben einem effektiven Krisenmanagement auch das Tagesgeschäft und die langfristige Transformation meistern, können gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen. Es zeichnen sich bereits Trends ab, die uns alle und insbesondere die Versicherer auch nach der Krise beschäftigen werden. Das betrifft beispielsweise die Digitalisierung und die Transformation der Geschäftsmodelle, die deutlich beschleunigt wird. Wer bereits jetzt gute digitale Lösungen hat – insbesondere im direkten Kontakt mit Kunden – und weiter konsequent daran arbeitet, kann sich einen Wettbewerbsvorteil sichern.“

 

Anstieg der Schadenquoten

Die Versicherer werden in diesem Jahr in einigen Sparten mit deutlich höheren Schadenquoten konfrontiert sein. Bei den Komposit-Sparten gehen die Versicherer von stark steigenden Schadenquoten, insbesondere bei Veranstaltungsausfallversicherungen (93 Prozent), Betriebsschließungsversicherungen (82 Prozent), Kreditversicherungen (63 Prozent) sowie Reiserücktrittsversicherungen (54 Prozent) aus. Auch in der Rechtsschutzversicherung werden deutlich höhere Schäden erwartet (25 Prozent).

Im Bereich der Lebensversicherung rechnen 96 Prozent der Befragten mit steigenden Leistungsquoten während in der Krankenversicherung rund 79 Prozent der Befragten steigende Leistungsquoten erwarten.

 

Pandemierisiken nur bei 17 Prozent abgedeckt

Allerdings haben nur 17 Prozent der Versicherer in ihren Produkten Pandemierisiken grundsätzlich abgedeckt. Bei 48 Prozent sind sie von vornherein ausgeschlossen.

„Die Branche hat Sorgen um ihr Image, wenn sie Zahlungen etwa bei Betriebsschließungen verweigert, weil die abgeschlossene Versicherung das Pandemierisiko nicht beinhaltet“, so Prof. Dr. Fred Wagner, Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften e.V. an der Universität Leipzig. „Die Art und Weise, wie die Versicherer mit Zahlungen umgehen, wie kulant sie sind und ob sie sich beispielsweise auch an sozialen Projekten rund um die Corona-Krise beteiligen, wird auch über ihr künftiges Image entscheiden. Gerade jetzt in der Krise haben die Versicherer die Chance, sich als Partner an der Seite der Kunden und der Gesellschaft als Ganzes zu positionieren – was langfristig positiv auf das Image einzahlen wird.“

38 Prozent erwarten Konsolidierung des Versicherungsmarktes

Ein weiterer Effekt der Corona-Krise dürfte mittel- bis langfristig eine Zunahme der M&A-Aktivitäten sein: 38 Prozent der Unternehmen erwarten, dass es zu einer beschleunigten Konsolidierung des Marktes kommen wird. „Die Dauer der Krise könnte für einzelne Marktteilnehmer zu einer großen Herausforderung werden, der man gegebenenfalls nicht alleine gewachsen ist“, erläutert Korte, der auch die marktführende Transaktions- und Strategieberatung für Versicherungsunternehmen bei EY in Deutschland und für Europa leitet. „Jedes Unternehmen sollte jetzt sein eigenes Portfolio und auch einen Verkauf von Beständen oder Beteiligungen prüfen, wenn sie einen zu geringen Wertbeitrag für die Unternehmensgruppe leisten. Auf der anderen Seite sollten interessierte strategische Investoren den Markt genau sondieren, denn es werden sich attraktive Akquisitionen oder auch partnerschaftliche Zusammenschlüsse und Fusionsüberlegungen ergeben.“