Ein Risikomanagement-Tool ist eine auf die Unterstützung des Risikomanagements spezialisierte Software. Wie der Name schon anklingen lässt, handelt es sich lediglich um ein Hilfsinstrument („Tool“ bedeutet ins Deutsche übersetzt „Werkzeug“). Den Risikomanagern sollen also keine Aufgaben oder Entscheidungskompetenzen abgenommen werden; vielmehr sollen entsprechende Tools dazu beitragen, Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten.
In unserer Studie „Anforderungen an ein Risikomanagement-Tool zur Weiterentwicklung mittelständischer Risikomanagementsysteme“ konnten wir nur eine geringe Nutzungsquote von solch spezialisierter Software in mittelständischen Unternehmen beobachten (22,2 %). Dabei könnte der Einsatz die Risikomanager entlasten und Freiräume für die Weiterentwicklung des Risikomanagements schaffen.
Fehlende Benutzerfreundlichkeit
Die Interviewteilnehmer betonten, wie wichtig die Benutzerfreundlichkeit für den Einsatz eines Tools ist. Die Benutzer schrecken regelmäßig aufgrund der hohen Komplexität und damit einhergehenden langen Einarbeitungszeiten vor der Einführung einer Software-Lösung zurück. Neben den Risikomanagern, die sich tagtäglich mit dem Tool auseinandersetzen, müssen sich dezentrale Risikoverantwortliche in größeren Zeitabständen (z. B. halbjährlich oder jährlich) mit dem Tool beschäftigen. Bei diesen nicht alltäglichen Benutzern ist ein schneller Zugang noch entscheidender. Eine intuitive Bedienbarkeit, eine hohe Benutzerfreundlichkeit und aus dem (Arbeits-)Alltage bekannte Nutzeroberflächen sollten zu kürzeren Einarbeitungszeiten und geringeren Hürden bei der Nutzung des Tools führen. Wie wichtig die Akzeptanz der nicht alltäglichen Nutzer ist, zeigt die Schilderung eines Interviewteilnehmers:
„[…] Bei unserem alten Tool ging ein Großteil der Mitarbeiter darin über, mir die Informationen per Excel und Word zu übermitteln, da sie sich nicht mit dem Tool auseinandersetzen wollten. Dann kann man es auch gleich in diesem Format lassen und muss es nicht in das Tool übertragen, was das Tool obsolet macht.“
Intransparenz am Markt
Am Markt gibt es zahlreiche Anbieter, die Risikomanagement-Software-Lösungen anbieten. Das Angebot der Anbieter unterscheidet sich jedoch im Funktionsumfang. Unterschiedliche Modulbuchungsoptionen erschweren es zusätzlich, den Durchblick zu behalten. Unter anderem weil die Software auf die individuellen Anforderungen der Risikomanagementorganisation angepasst werden muss, werden die Preise in der Regel erst nach Anfrage mitgeteilt. Der Recherche- und Kommunikationsaufwand, um sich einen Überblick der am Markt vorhanden Lösungen zu schaffen, könnte ein weiter Hinderungsgrund für die mittelständischen Unternehmen darstellen.
Risikomanagement lebt von Kommunikation
Für viele Risikomanager ist die Kommunikation mit den Mitarbeitern die entscheidende Komponente im Risikomanagement. Die Wahrnehmung der Risiken und die Bereitschaft diese zu kommunizieren unterscheiden sich je nach Mitarbeiter. Durch ein persönliches Gespräch können diese beiden Komponenten aufgedeckt und individuell darauf eingegangen werden. Die Kommunikation kann nicht durch ein Tool ersetzt werden: Regelmäßig stattfindende Interviews in denen mit den dezentralen Risikoverantwortlichen die identifizierten Risiken sowie deren Bewertung und die dazugehörigen Maßnahmen kritisch diskutiert werden, sind ein wichtiger Bestandteil in vielen mittelständischen Unternehmen. Unternehmen, die ein Hauptaugenmerk auf die Durchführung persönlicher Gespräche legen, sehen dementsprechend keine Notwendigkeit für die Einführung eines Tools, wie folgendes Zitat zeigt:
„Wir haben uns verschiedene Tools angesehen, aber sind zu dem Entschluss gekommen, dass Risikomanagement auf sehr viel Kommunikation beruht. Die Antworten, die in ein Tool eingepflegt werden, sind sehr stark von den einpflegenden Personen abhängig und unterscheiden sich z.B. auch je nach Land. Kein Tool kann diesen Kommunikationsaspekt adäquat abdecken. Stattdessen führen wir halbjährlich persönliche Interviews mit den dezentralen Risikoverantwortlichen durch, in denen wir systematisch die Risikolage, mögliche Maßnahmen und Szenarien diskutieren. Die Informationen werden dann aggregiert und mit den einzelnen Gruppenverantwortlichen diskutiert.“
Fehlender Rückhalt durch Geschäftsleitung
Die befragten Risikomanager zeigten große Bemühungen, das Risikomanagement in ihren Häusern weiterzuentwickeln. Häufig mangelt es jedoch an der Unterstützung durch die Geschäftsleitung. Diese ist oft mit dem Status quo des Risikomanagements zufrieden; solange die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden, wird kein Handlungsbedarf wahrgenommen. Die ökonomische Sinnhaftigkeit als Motivation für das Risikomanagement hat sich in vielen mittelständischen Häusern noch nicht durchgesetzt. Dementsprechend werden den Risikomanagern keine zusätzlichen Ressourcen zur Weiterentwicklung des Risikomanagements zur Verfügung gestellt und damit verbunden auch keine Mittel zur Einführung eines Risikomanagement-Tools bereitgestellt.
Diese Ausführungen lassen erahnen, dass sich an der Nutzungsquote von spezialisierter Risikomanagement-Software in den mittelständischen Häusern auf kurze Frist nichts ändern wird. Letztendlich sind die Ergebnisse der Nutzung eines Tools auch stark abhängig von der Qualität des Risikomanagements selbst. Es gilt also zunächst die Risikomanagementsysteme, die bei mittelständischen Unternehmen oft noch in den Kinderschuhen stecken, weiterzuentwickeln. Es ist davon auszugehen, dass mit der Weiterentwicklung auch die Nachfrage nach smarten Lösungen zur effizienteren Gestaltung der Arbeitsprozesse steigt, was der Nutzungsquote von Risikomanagement-Tools einen Auftrieb geben könnte.
Die Studie „Anforderungen an ein Risikomanagement-Tool zur Weiterentwicklung mittelständischer Risikomanagementsysteme“ steht Ihnen hier zum kostenlosen Download zur Verfügung.