Versicherungsbranche widmet sich den drängenden Nachhaltigkeitsfragen auf dem 1. GSN-Summit

Leipzig, 11.05.2022: Versicherungsunternehmen sind – als Risikoträger, Großinvestor sowie Unternehmen mit eigenem CO2-Fußabdruck – einzigartig positioniert, um den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken. Wie die Branche einen Beitrag zu einer nachhaltigere Gesellschaft leisten kann, wurde auf dem ersten GSN-Summit in Berlin am 10. und 11. Mai von rund 150 Teilnehmer:innen – sowohl der GSN-Mitglieder aber auch andere Branchenakteure – diskutiert. Intensive Gespräche über regulatorische Anforderungen und die praktischen Herausforderungen der Branche spiegelten die Ergebnisse und Entwicklungen aus dem ersten Jahr GSN wider.

„Mit großer Freude bemerken wir eine hohe Bereitschaft der Branche, sich in Sachen Nachhaltigkeit zu engagieren. Gemeinsam mit den mittlerweile 74 Mitgliedsunternehmen des GSN haben wir mit Kontinuität an ersten Praxisansätzen gearbeitet und dabei insbesondere die regulatorischen Anforderungen in den Blick genommen.“

Prof. Dr. Fred Wagner Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig

Eröffnet wurde die ESG-Konferenz von Dr. Theresa Jost, Geschäftsführerin der V.E.R.S. Leipzig GmbH, und Prof. Dr. Fred Wagner, Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig. Sie gaben einen Überblick über die bisherigen Aktivitäten des Netzwerks und zeigten die Perspektiven für das zweite Jahr GSN auf. Anschließend teilte sich die Veranstaltung in die zwei parallel verlaufenden Vortragsstränge, in denen sowohl fokusbereichsspezifische und übergreifende Fragestellungen aufgegriffen, als auch übergreifende Herausforderungen adressiert wurden.

Dr. Andrea Timmesfeld, Generali Deutschland AG, ging in ihrem Vortrag darauf ein, wie Nachhaltigkeitskommunikation gelingen kann: Im Wesentlichen sei es nichts anderes als die bisherigen Grundsätze guter Kommunikation zu beachten. Die Herausforderungen lägen jedoch in dem Verschwinden von Teilöffentlichkeiten, der zwingenden Konsistenz von Werte- und Moralvorstellungen sowie Authentizität. „Alles, was Sie kommunizieren, ist heute nachprüfbar“, so Timmesfeld. „Nichts zu kommunizieren, ist jedoch auch Kommunikation und sendet deutliche Botschaften“. Die Branche sei gefordert, eine ganzheitliche Betrachtung aller Stakeholder-Gruppen zu beachten.

Ana-Cristina Grohnert, Charta der Vielfalt e.V., zeigte die Relevanz von Diversität und Inklusion für den unternehmerischen Erfolg. So seien laut Grohnert Vielfalt und Inklusion am Arbeitsplatz wichtige Vermögenswerte für das Wachstum und den Erfolg jeder Organisation und gleichzeitig ein Zeichen für eine egalitäre Arbeitskultur. Dabei gehe es jedoch nicht nur um Faktoren, wie die Einstellung von Menschen unterschiedlichen Geschlechts, Alters, ethnischer Zugehörigkeit, Kultur und Herkunft. Es gehe auch nicht nur darum, das richtige Verhältnis von Männern zu Frauen zu schaffen, sondern auch um das Mitarbeiterengagement, Teamwork, Zusammenarbeit und gesteigerte Produktivität, um Unternehmensziele zu erreichen. Inklusion kann deswegen nur erreicht werden, wenn altbekannte Vertrauensmuster überwunden werden, so Grohnert. Es müsse der Andersartigkeit vertraut werden.

Regine Richter, urgewald e.V., forderte in ihrem Vortrag die Versicherer dazu auf, Kohle-, Öl- sowie Gaskonzernen konsequent keinen Versicherungsschutz mehr anzubieten, um so den Bau neuer Kohlekraftwerke zu verhindern. Das Gleiche gelte für Investitionen: Laut der Klimacampaignerin können Geschäftsverluste durch den Ausstieg im Bereich fossiler Energieträger mit dem Einstieg in erneuerbare Energien aufgefangen werden.

Obgleich die Allianz Nachhaltigkeit konsequent und glaubwürdig vorantreiben will, sieht Dr. Catharina Richter strukturelle Herausforderungen. Bspw. in der Regulierung (nur 2 der 6 Umweltziele sind bisher in der Taxonomie definiert), den Daten (Offenlegungsvorschriften benötigen noch Zeit, um zu greifen), dem Fokus (nur 40% der europäischen börsennotierten Unternehmen müssen Taxonomie beachten) sowie der Freiwilligkeit (keine einheitlichen Standards bei den Nachhaltigkeitsberichten). Auch dadurch würden erhebliche Hürden aufgebaut; vor allem in Hinblick auf die im August anstehenden Neuanforderungen an den Vertrieb und die Kundenkommunikation.

Den ersten Veranstaltungstag beendete Silke Stremlau, Vorstandsmitglied der Hannoverschen Kassen und ehemaliges Mitglied des Sustainable Finance Beirats der Bundesregierung, die in ihrer Keynote verdeutlichte, dass ein nachhaltiges Geschäftsmodell allein heutzutage nicht mehr ausreicht, sondern Versicherer eine ganzheitliche, transformative Unternehmensentwicklung vollziehen müssen. Silke Stremlau fokussierte hierbei die neuen Anforderungen an die Führungsebene und die Rolle der Diversität, die für den zukunftsfähigen und nachhaltigen Unternehmenserfolg entscheidend sind – denn mangelnde Diversität führt zu weniger unabhängigem Denken und einem Mehr an gleichartigen Perspektiven.

Tag zwei des GSN-Summit wurde durch die Verbraucherperspektive von Dr. Annabel Oelmann, Verbraucherzentrale Bremen e.V., eingeleitet. In ihrem Beitrag betonte sie das steigende Interesse der Verbraucher:innen an nachhaltigen Versicherungen. Allerdings kritisierte sie die Komplexität in der Beratung: „Das Thema muss in drei Sätzen kommuniziert werden, ansonsten ist es praxisuntauglich“. „Nachhaltigkeits-Versprechen“ der Versicherer müssten konsequent eingehalten werden und das Ziel müsse es sein, 100% nachhaltig zu sein. Ihr eindeutiges Plädoyer für die Branche war es, Mut zu haben – im Gegenzug sagte sie konstruktiven Dialog mit der Verbraucherzentrale zu.

Dem GSN-Summit virtuell zugeschaltet wurde Pamela Schuermans, European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA). In ihrem 30-minütigen Impuls berichtete Schuermans von den Plänen der EIOPA und zeigte auf, wie Erst- und Rückversicherer Nachhaltigkeitsrisiken in ihr Risikomanagement integrieren können, um Verbraucher zu schützen und finanzielle Stabilität zu gewährlisten.

Eine branchenfremde Perspektive eröffnete Saori Dubourg, Vorständin der BASF SE, die den möglichen Beitrag der chemischen Industrie veranschaulichte. Wichtig sei jedoch ein Umdenken: Weg von einer „Wegwerf-“ und hin zu einer Kreislaufwirtschaft, bei der u.a. Ressourcen geschont und die anfallende Abfallmenge reduziert und wiederverwendet werde. Dubourg sieht hierin eine wichtige Chance auch für den unternehmerischen Erfolg, bspw. durch neue Geschäftsmodelle. Ein Umdenken zur Kreislaufwirtschaft müsse deshalb auch in der Finanzdienstleistungsbranche vollzogen werden.

Weitere Informationen zum German Sustainability Network und dem GSN-Summit stehen für Interessierte auch auf der Webseite zur Verfügung.