Erste Elementarrisiko-Konferenz

Starkregen und extreme Hochwasser sind häufiger werdende Ereignisse in Deutschland – zuletzt im Extremfall das Sturmtief Bernd im Ahrtal. Die Folgen sind nicht nur gravierend für Privatpersonen, Eigentümer oder Unternehmer in den betroffenen Regionen, sondern stellen auch Versicherer vor neue Herausforderungen in der Absicherung und Schadenbearbeitung. Mit der zunehmenden Frequenz an Extremwetterereignissen in Regionen, in denen sich auch eine größere Konzentration von Menschen und Eigentum befinden, steigen die Kosten durch entstandene Schäden für Versicherer und die Grenzen der Versicherbarkeit könnten zunehmend Realität werden.

Brisanz des Themas nimmt zu

Angesichts der wachsenden Risikoexposition verhalten sich deutsche Versicherer vorsichtiger, reduzieren Deckungen in Risikogebieten und erhöhen Prämien und Selbstbehalte. Infolgedessen entbrennt seit geraumer Zeit wieder die Debatte über eine Pflichtversicherung oder ein staatliches Eingreifen im Kampf für eine adäquate Absicherung gegen Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen. Vor diesem Hintergrund fand am 06. April 2022 die virtuelle Elementarrisiko-Konferenz der V.E.R.S. Leipzig GmbH in Kooperation mit der Hogan Lovells International LLP statt.

Zu Beginn der Veranstaltung gab Prof. Dr. Fred Wagner, Universität Leipzig, eine erste Einordnung über die wachsenden Herausforderungen bei der Absicherung von Elementarschäden und zeigte verschiedene Lösungsansätze auf. Darunter unter anderem die Aufklärung über Elementarschäden, wie etwa durch die Sensibilisierung für mögliche Ausmaße von Extremwetterereignisses, Präventionsmaßnahmen der Hauseigentümer, die Einführung einer Pflichtversicherung oder Absicherungskonzepte durch Pool- und Kapitalmarktlösungen.

Steigerung der Klimaresilienz ist essentiell

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, sprach darüber, wie eine gesteigerte Resilienz gegenüber Elementarrisiken erreicht werden kann. Bereits Anfang Juli 2021 – noch vor der Flutkatastrophe – hat die nordrhein-westfälische Landesregierung das bundesweit erste eigenständige Gesetz zur Klimaanpassung verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist neben der Steigerung der Klimaresilienz die Begrenzung von Schäden des Klimawandels. Darüber hinaus wurde 2021 eine 15-Punkte-Offensive zur Klimaanpassung vorgestellt, die unter anderem die Erstellung einer neuen Klimaanpassungsstrategie für Nordrhein-Westfalen vorsieht. Die Strategie befindet sich derzeit noch in der Entwicklungsphase. Schon jetzt fördert das Land NRW u.a. die Untersuchungen zur Starkregengefährdung, d.h. die Aufstellung eines kommunalen Konzepts zum Starkregenrisikomanagement inklusive kommunaler Starkregengefahrenkarten gemäß der 2019 veröffentlichten Arbeitshilfe „Kommunales Starkregenrisikomanagement“. Abzuwarten bleibt, was die Justizministerkonferenz im Juni für eine Entscheidung treffen wird.

Sturmtief Bernd trifft die Provinzial

Das Sturmtief Bernd stand immer wieder im Zentrum der Diskussionen eines der größten Schadenereignisse in Deutschland überhaupt. Die Provinzial war vom Tiefdruckgebiet mit 1,45 Mrd. Euro Schadenaufwand besonders betroffen, so Dr. Wolfgang Breuer, Vorstandsvorsitzender. Grund ist das Geschäftsgebiet des Versicherers: In den meisten betroffenen ländlichen Gebieten hat die Provinzial den höchsten Marktanteil und demnach eine hohe Bestandsdichte. Allerdings lassen sich solche Naturkatastrophen nicht verhindern, aber Präventionsmaßnahmen können den potenziellen Schaden reduzieren.  Zudem müsse der Anteil an Gebäuden, die gegen Elementarschäden versichert sind, weiter steigen. Statt einer Pflichtversicherung fordert Wolfgang Breuer jedoch eine vollintegrierte Wohngebäudeversicherung, die Elementargefahren inkludiert und ein Opt-Out-System beinhaltet.

Wie gehen andere Länder vor?

Einen Einblick in Schutzkonzepte anderer Länder, wie etwa das der USA oder dem Vereinigten Königreich, gab Dr. Christoph Küppers, Hogan Lovells International LLP.  Beispielsweise sah sich die französische Regierung durch die massiven Überschwemmungen im Jahr 1981 veranlasst, eine Pflichtversicherung gegen Elementarereignisse einzuführen. Das Gesetz verpflichtet die privaten Versicherer, flächendeckend einen umfassenden Versicherungsschutz gegen Naturgefahren anzubieten.

Den Abschluss der Konferenz bildete der Vortrag von Ivo Menzinger, Swiss Re, der alternative Ansätze der Risikotragung erörterte und der Frage nachging, ob bzw. wie die Versicherungswirtschaft die Resilienz gegenüber Elementarrisiken erhöhen kann. Auch brachte auch parametrische Absicherungskonzepte in die Diskussion ein, mit denen vor allem eine sehr schnelle und transparente Auszahlung ohne Schadenregulierung ermöglicht wird.