Prof. Dr. Wagner eröffnete das Interview mit der Frage nach der gescheiterten Übernahme der Zurich-Lebensversicherungen. Dr. Dresig erläuterte, dass Viridium bereits seit zehn Jahren erfolgreich im Markt agiert und zu einer der größten Lebensversicherungsgruppen in Deutschland herangewachsen ist. Die Übernahme der Zurich-Bestände hätte den nächsten Wachstumsschritt für das Unternehmen bedeutet. Allerdings scheiterte die Transaktion an den Bedenken der BaFin im Hinblick auf die gegenwärtige Eigentümerstruktur der Viridium. Dr. Dresig betonte, dass es äußerst bedauerlich sei, da die Übernahme aus Sicht von Viridium vorteilhaft für die Kund:innen gewesen wäre. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass dieses Thema perspektivisch von den Eigentümer:innen gelöst wird.
Prof. Dr. Wagner ging weiter auf die Bedenken der Bafin hinsichtlich des Mehrheitseigners, des britischen Private-Equity-Hauses Cinven, ein. Hintergrund dieser Bedenken sind die Ereignisse um den italienischen Lebensversicherer Eurovita: Cinven unterstützte nicht mit zusätzlichen Kapitaleinschüssen als Eurovita in eine finanzielle Schieflage geriet. Dies habe Zweifel an der Zuverlässigkeit von Cinven als Mehrheitseigentümer einer großen deutschen Lebensversicherungsgruppe aufgeworfen. Dr. Dresig betonte jedoch, dass die Situation von Eurovita in Italien nichts mit Viridium und seinem Geschäftsmodell zu tun habe.
Anschließend fragte Prof. Dr. Wagner nach den aktuellen Spekulationen rund um potenzielle neue Eigentümer:innen von Viridium. Dr. Dresig unterstrich die Attraktivität von Viridium für verschiedene potenzielle Käufer:innen und zeigte sich zuversichtlich, dass eine Lösung gefunden werde, die weiteres Wachstum ermöglicht.
Die Natur von Abwicklungsplattformen führe dazu, so Prof. Dr. Wagner, dass Bestände tendenziell kleiner werden. Damit sei das Geschäftsmodell endlich, sollte kein neues Volumen hinzukommen. Dies werfe die Frage auf, ob Viridium angesichts möglicher Zukäufe der Konkurrenz unter Zugzwang gerate.
Die aktuellen Marktentwicklungen wurden ebenfalls thematisiert. So kam die Frage auf, ob das Geschäftspotenzial für Run-off-Gesellschaften noch immer so vielversprechend sei wie einst. Dr. Dresig wies darauf hin, dass das langjährige Niedrigzinsniveau ein wesentlicher Treiber für die Abgabe von Beständen in der klassischen Lebensversicherung war. Mit den nun jedoch wieder gestiegenen Zinsätzen am Kapitalmarkt könnten die Altbestände wieder tragfähiger werden. In diesem Kontext stellte Prof. Dr. Wagner die Frage, ob Plattformen wie Viridium angesichts der Zinsumkehr noch so benötigt werden, wie bisher angenommen.
Dr. Dresig bestätigte, dass das Niedrigzinsumfeld ursprünglich ein starker Impuls für ihr Geschäftsmodell war, aber die Motivation der Verkäufer habe sich inzwischen verschoben. Er betonte, dass das Marktpotenzial nach wie vor riesig sei. In Deutschland hätten 70 % aller Lebensversicherer einen Marktanteil von weniger als 1 %.
Im weiteren Verlauf ging Prof. Dr. Wagner auf die veralteten IT-Systeme in vielen Lebensversicherungshäusern und den Fachkräftemangel ein. Die ursprünglichen Entwickler:innen und Aktuar:innen, die diese Systeme programmiert haben, gehen nun in Rente, was die Wartung und Weiterentwicklung der Systeme weiter erschwert.
Beide diskutierten abschließend über die größten Hürden des Geschäftsmodells. Aus Sicht von Dr. Dresig stellen die Vielfalt der Tarife und die Abbildung der Produkte in einer neuen IT-Landschaft immense Herausforderungen dar. Bei der Umstellung auf ein neues System können auch aktuarielle Abweichungen auftreten, die Zeit und Ressourcen für die Überprüfung erfordern. Dies führt zu hohen Kosten und erhöhter Komplexität.
Ein wichtiger Punkt, der seit jeher Bedenken bei Abwicklungsplattformen hervorruft: die Frage, ob die Endkunden gut und fair bedient werden. Besonders kritisch würden hier die Überschussanteile gesehen. Prof. Dr. Wagner stellte fest, dass Studien in diesem Bereich Entwarnung geben, fügte jedoch hinzu, dass ein persönlicher Bezug zu bekannten Vertreter:innen und Unternehmen für das Vertrauen der Kund:innen eine große Rolle spielt. Er fragte, ob Kund:innen nicht nervös werden, wenn sie erfahren, dass sich der Vertragspartner durch den Verkauf ihrer Police ändert, insbesondere da es sich um einen wesentlichen Bestandteil der Altersvorsorge handelt. Dr. Dresig bestätigte in diesem Themenfeld noch weiteren erheblichen Handlungsbedarf.
Das vollständige Interview sehen Sie hier: